Johannes wird am 18. Mai 2016 geboren. Er ist ein fröhliches und liebes Kind und macht schnell Fortschritte. Er kann schon mit ein paar Wochen seine Flasche allein halten und die Familie sagt oft zum Spaß, dass er bestimmt mit 6 Monaten sprechen könne. Doch es kommt alles anders... .
Mit 18 Monaten kann Johannes plötzlich nicht mehr stehen und sitzen, lässt alles fallen, juckt sich ständig die Augen und lacht nicht mehr. Die Eltern sind alarmiert, werden aber vom Kinderarzt immer wieder beruhigt. Auch bei einer Untersuchungsreihe in einer großen Klinik sind alle Ergebnisse ohne pathologischen Befund. Dankbarkeit!
Doch Johannes entwickelt sich trotz verschiedener Physiotherapien nicht weiter. Nach einem halben Jahr wird das gesamte Untersuchungsprozedere wiederholt. Der Befund: eine Gehirnatrophie, also
ein Verlust der Gehirnsubstanz. Die Eltern bekommen gesagt: „Nehmen Sie Ihr Kind mit nach Hause. Wir wissen noch nicht, wie die Erkrankung heißt, aber er wird früh sterben." Die Diagnose
infantile NCL, CLN1, wird an einem Freitagnachmittag per Fax übermittelt. Nach Recherchen im Internet wissen die Eltern, dass CLN1 unheilbar ist und innerhalb weniger Jahre tödlich verläuft.
Es tritt eine Schockphase ein. Johannes‘ Mutter, selbst aus dem Wissenschaftsbereich, setzt ihre Berufstätigkeit aus und widmet sich ausschließlich ihrem Kind und seiner CLN1-Erkrankung. In
Stichworten:
- Gründung einer CLN1 Facebookgruppe (aktuell mit 114 Mitgliedern weltweit)
- Literaturrecherche, Erstellen von Listen mit allen CLN1 Studien und Veröffentlichungen
- Kontaktaufnahme zu allen Forschern und Firmen
- Besuch des internationalen NCL-Kongress 2018 in London, viele Treffen und Gespräche. Erkenntnis: Ein Wirkstoffkandidat als Enzymtherapie existiert und lagert tiefgefroren bei einer
amerikanischen Pharmafirma.
Nach vielen Phasen der Verzweiflung und Todesangst um Johannes kommt das erste Mal etwas wie Hoffnung auf.
Monate der Verhandlung und rechtlichen Abklärung folgen. Dann die Entscheidung: Der Wirkstoffkandidat wird herausgegeben für einen individuellen Heilversuch, wenn hierfür ein Arzt gefunden wird. 900 Adressen kontaktiert die Familie daraufhin, von Israel bis Hawaii. Es gibt Vorstellungstermine in Kliniken zahlreicher Länder und hunderte Absagen.
Dann wird die Mutter fündig: Professor Andreas Hahn von der Universitätsklinik Gießen ist bereit, den individuellen Heilversuch durchzuführen. Mitte 2019 starten die Infusionstherapien. Johannes stabilisiert sich.
Auf dem Kongress für lysosomale Speicherkrankheiten in Orlando im Februar 2023 präsentiert Prof. Hahn die vielversprechenden Ergebnisse der Behandlung. Zudem gelingt es der Mutter, Forschungsgelder für eine Weiterentwicklung zu akquirieren. Ein nächster großer Schritt.
Zwei Wochen später, am 10. März 2023, verstirbt Johannes an den Folgen einer schweren Influenza.
Die Mutter widmet sich weiter mit ganzer Kraft der Fortentwicklung des hoffnungsvollen Medikaments. Für die anderen an CLN1 erkrankten Kinder und auch, damit Johannes und sein Verdienst nicht in Vergessenheit geraten.
Die Publikation von Professor Andreas Hahn et al. lesen Sie hier.
27/07/2023